Warum gestapelte Steinhaufen der Natur schaden – und was Menschen daran fasziniert
Beim Wandern begegnen sie mir immer wieder: kleine Türme aus Steinen, die am Wegesrand, auf Felsen oder am Ufer aufragen. Viele empfinden sie als friedlich oder meditativ – ich nicht.
Mich stören sie. Jedes Mal wirken sie wie ein Fremdkörper in der Landschaft, wie ein kleiner Eingriff in etwas, das eigentlich für sich sprechen sollte. Wo es möglich ist, werfe ich sie um und lasse die Steine wieder dorthin fallen, wo sie hingehören: zurück in die Natur.

Je öfter ich solche Türme sehe, desto deutlicher wird mir, wie sehr sie zeigen, dass wir manchmal vergessen, dass auch die kleinsten Dinge im Gleichgewicht bleiben müssen – nicht nur die Steine selbst, sondern auch die Welt um sie herum.
Von Wegweisern zu Instagram-Motiven
Steinmännchen sind keine neue Modeerscheinung. In den Alpen dienten sie ursprünglich als Orientierungspunkte auf Bergpfaden, in anderen Regionen der Welt hatten sie spirituelle Bedeutung – etwa als Opfergaben, Gebetssteine oder Wegmarkierungen für Reisende.
Heute aber sind sie oft ein Symbol für etwas anderes geworden: für den Moment der Ruhe, das Streben nach Balance – oder einfach das Bedürfnis, ein Zeichen zu hinterlassen. Und manchmal wohl auch nur für ein schönes Foto.
Wenn der Mensch Steine bewegt
Was auf den ersten Blick harmlos wirkt, hat Folgen.
Unter und zwischen Steinen leben unzählige kleine Tiere – Spinnen, Insekten, Käferlarven oder Amphibien. Wer Steine aufschichtet, zerstört diese Mikrohabitate. Vor allem in sensiblen Biotopen wie Mooren, Flussufern oder Berglandschaften kann das Ökosystem langfristig geschädigt werden.
Auch für den Boden spielt die Lage der Steine eine Rolle: Sie schützen ihn vor Erosion, also vor dem Abtragen durch Wind und Wasser. Werden sie entfernt, wird der Untergrund instabil – ein kleiner Eingriff mit großer Wirkung.
Und schließlich können künstliche Steinmännchen echte Probleme verursachen: In alpinen Regionen werden sie leicht mit offiziellen Wegmarkierungen verwechselt, was Wanderer in gefährliches Gelände führen kann.
Warum wir Steine stapeln
Trotzdem übt das Stapeln eine merkwürdige Faszination aus. Es ist ein Spiel mit Schwerkraft und Geduld – ein kleiner Moment von Kontrolle in einer Welt, die sich oft chaotisch anfühlt.
Viele erleben beim „Rock Balancing“ eine meditative Ruhe. Andere wollen einfach ein sichtbares Zeichen ihres Daseins hinterlassen. Vielleicht steckt auch der Wunsch dahinter, Teil eines größeren Ganzen zu sein – ein Turm unter vielen.
Doch in gewisser Weise ist gerade das der Widerspruch: Während wir Balance suchen, bringen wir die Natur aus ihrer eigenen.
Schlussgedanke
Ein Stein auf dem anderen ist ein kleiner Triumph über die Schwerkraft – doch die größere Kunst liegt darin, die Natur in ihrem eigenen Gleichgewicht zu lassen.


